„Die Gier nach Geld hat vieles zerstört.“ Pablo Bujosa, Maler

Zweimal ging er bankrott mit seiner Baufirma und musste 25 Angestellte entlassen. Nur wegen des Ratschlages eines Astrologen wurde Pablo Bujosa im Alter von 43 Jahren Maler, obwohl er eigentlich gar nicht an „solches Zeugs“ glaubt.

Sie fallen mir sofort auf, die Nägel. Verkrümmte, gebrauchte Nägel, die da auf einem Bild für 4000 Euro angebracht sind und – mit blauer Farbe eingefärbt – Algen auf dem Meeresboden darstellen. Mein Blick wandert weiter und entdeckt eine Garnele. „Ich verwerte gerne alles, was in meinem Ofen liegenbleibt.“ Pablo Bujosa lacht. Verschmitzt, schelmisch, fast etwas verlegen.

Dabei sind es gerade diese kleinen Details, die seine Gemälde so aussergewöhnlich machen. Fische, die aus Toilettenrollen geformt sind, zum Beispiel oder Früchte, die er aus Kohlestückchen  – ebenfalls aus seinem Ofen – bildet.

Pablo Bujosa ist ein waschechter Mallorquiner, auf der Insel geboren und aufgewachsen. Über die krassen Veränderungen seiner Heimat, die sich in den letzten Jahrzehnten von der Rückzugsoase der Spanier zu einem Hotspot der Billigtouristen entwickelt hat, wollen wir auch sprechen. Aber später.

Sein Atelier ist sein Haus, ist sein Garten. Er malt, wo er gerade Lust hat. Und er malt, was ihm gerade einfällt. „Ich beginne mit einer Idee und wenn das Bild fertig ist, stellt es meistens etwas ganz anderes dar. Wenn ich während des Malprozesses nicht mehr zufrieden bin, nehme ich eine Schleifmaschine und mache es neu. Meine Arbeit ist primär Improvisation.“

Eineinhalb bis zwei Monate arbeitet er an einem Kunstwerk. Meistens parallel an mehreren gleichzeitig. Die Leinwände und Holzplatten hängen in seinem Atelier wie Schinkenbeine, die zum Trocknen aufgereiht sind. Wieder lacht Bujosa sein leises, kehliges Lachen. Der Vergleich gefällt ihm.

Er sieht sich als Handwerker. Er war auch tatsächlich einer. Mit seinem Baugeschäft bestritt er die erste Hälfte seines Berufslebens, baute Appartement-Komplexe am Meer. „25 Leute arbeiteten bei mir. In der grossen Baukrise ging ich bankrott und musste alle entlassen. Es war das zweite mal.“

Man merkt ihm an, dass es für ihn persönlich eine schwierige Phase gewesen sein muss. Er spricht leise, mit der kratzigen Stimme eines langjährigen Rauchers. Plötzlich stockt er, fixiert mich mit einem prüfenden Blick. „Darf ich dir etwas Privates anvertrauen? Es ist etwas verrückt. Aber es ist die Realität.“

Es war Mitten in der Krise, als Bujosa einen Freund in Madrid besuchte, Astrologe von Beruf. Eigentlich konnte Bujosa damit rein gar nichts anfangen. Da er aber noch etwas Zeit übrig hatte und durchaus neugierig war in dieser Phase der Desorientierung, bat er seinen Freund um Rat.

Dieser meinte überzeugt, Pablo Bujosa würde Maler werden. „Meine Reaktion war: Du bist verrückt! Ich kann nicht malen. Lass mich in Ruhe damit.“ Trotz der wirschen ersten Abwehrreaktion liessen die Worte den damals 43jährigen nicht los und regten bei ihm einen Denkprozess an.

Zurück auf Mallorca nahm er seinen achtjährigen Sohn Marlon, brachte ihn zu seinen Eltern und teilte ihnen mit, dass er ihnen das Kind bringe, weil er malen müsse. „Die Gesichter hättest du sehen sollen!“ Auch mit 56 Jahren wirkt Bujosas Gesicht spitzbübisch, wenn er lachend von der aussergewöhnlichen Episode in seinem Leben spricht.

In zwei Stunden malte Bujosa sein erstes Bild auf einer Holzplatte. Zum Mittagessen brachte er sein Werk mit. Noch nie zuvor hatte er gemalt. „Ich bin ein Praktiker und habe es einfach ausprobiert.“ Noch heute hängt das Gemälde in der Wohnung seiner Eltern.

Von Beginn weg fand der Neo-Maler eine Galerie, die seine Bilder ausstellte. Heute verkaufen sich seine Werke, die allesamt das Meer zum Thema haben, für mehrere tausend Euro und hängen in Häusern und Villen, nicht nur auf Mallorca sondern auch in England, Deutschland und der Schweiz.

Der Kontrast könnte nicht grösser sein zwischen den Wänden, an die die Bilder zu hängen kommen und dem Ort der totalen Einsamkeit, wo sie entstehen.

Bujosa, das erste Jahrzehnt seines Lebens aufgewachsen in der Hauptstadt Palma mit sechs Geschwistern, zog als Teenager mit der Grossfamilie ins Hafenstädtchen Portals Nous,  wo viele Jahre später edle Häuser und Villen wie Pilze aus dem Boden schossen. „In Portals Nous gab es früher nur eine Bar und einen Supermarkt. Die Hälfte der Häuser stand noch nicht da. All die Strassen und Autobahnen gab es nicht.“

Die Immobilien wurden unerschwinglich. Viele Mallorquiner zogen sich zurück und überliessen den Ort gut betuchten Ausländern. Bujosa zog weg ins Landesinnere. Sein Reich: 16’000 Quadratmeter Land, Olivenbäume, ein paar alte Steinmäuerchen, Weide und Wald – so abgelegen, dass die Anreise zum Abenteuer wird.

Hat er das Gefühl, verdrängt worden zu sein? „Nein, überhaupt nicht. Ich bin selber weggegangen, ich wurde nicht verdrängt. Das Problem sind auch nicht die Residenten sondern vielmehr die Billigtouristen. Die nehmen nur, sorgen für ein schlechtes Image und geben nichts zurück.“

Auch wenn er die Veränderungen seiner Heimat hautnah miterlebt hat, vielleicht auch, wie der urtümliche Charme der Insel zu einem grossen Teil verloren ging oder sich zumindest verändert hat, möchte er nicht zum Klagelied anstimmen. „Seit 50 Jahren gibt es den Tourismus-Boom in Mallorca. Schöne grosse Häuser und Villen gab es hier immer. Vor den Touristen aus aller Welt kamen die Spanier aus Madrid und vom Festland für die Hochzeitsreise. Auch der König kommt immer her auf Urlaub. Sie alle haben dieses Mallorca gestaltet, das es heute ist. Aber viele Einheimische hatten die Sucht nach dem Geld. Und das ist das Resultat.“

Mit „das“ meint er vor allem die Bausünden: „An den Stränden wurden im Akkord Hotels hochgezogen. Damit wurde ein Paradies zerstört. Stell dir vor, wenn die Hotelkomplexe nicht am Strand stünden, wie die Insel dann aussehen würde. Aber die Politiker sahen kurzfristig am meisten Geld in dieser Anlage. El Arenal war eine Kopie von Es Trenc, dem schönsten Strand der Insel. Daran kannst du sehen, was passiert, wenn Leute direkt am Meer bauen.“

El Arenal ist heute vor allem bekannt wegen des Ballermanns, der Vergnügungsmeile der deutschsprechenden Touristen. Wer die Insel aber darauf reduziert, tut ihr Unrecht. Das wissen alle, die hier leben und alle, die nicht direkt vom Flughafen zum Ballermann fahren und zurück.

Die Balearen-Insel ist ein Magnet. Fast rund ums Jahr mit mildem Klima, wahnsinnig schöner Natur, tollem Essen und der südländischen Lebensart zog sie letzten Sommer 15 Millionen Touristen an. Wehmut schwingt mit, wenn der Künstler erzählt, aber auch eine grosse Portion Pragmatismus.“Das Leben ist in Bewegung. Ich bin da sehr offen. Für mich stimmt es, die Touristen bringen ja auch Aufträge und Arbeit.“

Wenn man die unzähligen Leinwände sieht, die da herumstehen oder -hängen, drinnen und draussen, dann wird klar, dass das nicht ganz freiwillig entdeckte Talent Bujosas eines ist, das viele anspricht. Das sei für ihn auch der schönste Lohn, wenn er mit seinen Gemälden jemandem eine Freude machen kann. „Auch wenn es beruhigend ist, dass ich von meiner Leidenschaft leben kann: Ein gutes Gefühl beim Verkauf gibt mir nicht primär das Geld sondern wenn ich merke, dass jemand schätzt, was ich mache und die Arbeit sieht, die in jedem Bild drin steckt. Ich male häufig in mehreren Schichten. Da warte ich tagelang, bis die Farbe trocknet.“

Da scheint jemand seine Lebensleidenschaft gefunden zu haben. Die Ideen, sagt Bujosa, schwirren einfach so in seinem Kopf herum. Aber er würde wohl gar nie alle Bildideen umsetzen können.

Denkt da einer schon ans Aufhören? Er sagt: „Ich weiss nicht genau, wo ich stehe im Leben. Es fühlt sich an wie eine Durchgangsphase.“ Warum befragt er nicht wieder seinen Freund, den Astrologen? „Er ist in Peru. Auf dem Machu Picchu. Aber er hat mir schon meine Berufung aufgezeigt. Er hat seinen Dienst getan.“

Was ist es denn, was er will? „Hombre, ich will ein guter Maler werden.“ Sagts und lacht wieder sein ansteckendes Lachen.

www.facebook.com/pintor.pablobujosa

Bilder: Vicki McLeod

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Kommentare

  • Avatar
    Frei Jürg
    REPLY

    Liebe Anna, die Geschichte vom Bauunternehmer und heutigem Maler Bujosas hat mich fasziniert. Schön, dass Du uns so tiefgründige Geschichten zeigst. Ein Teil, unsere Welt wieder zum Guten zu verändern! Du bist einfach eine tolle und äusserst herzliche Frau – und wohl ein Engel.

    26. Februar 2018

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